Umfrage unter Psychiatern und Psychotherapeuten: Erneuter Lockdown verstärkt negative Folgen für die Seele
Die Corona-Pandemie hat ernste psychische Folgen. Drei Viertel der Psychiater und Psychotherapeuten in Deutschland rechnen laut einer Pressemeldung mit einem Corona-bedingten Anstieg psychischer
Erkrankungen in den kommenden zwölf Monaten. Vier von fünf
Therapeuten erwarten, dass Depressionen und depressive Verstimmungen
weiter zunehmen. Menschen mit psychischen Vorerkrankungen oder mit
einer Anfälligkeit für Stimmungstiefs in der dunklen Jahreszeit sind
besonders gefährdet. Dies sind Ergebnisse der Studie „Psychische
Gesundheit in der Krise“ der pronova BKK, für die 154 Psychiater und
Psychotherapeuten in Praxen und Kliniken befragt wurden.
Die Pandemie hebt den Alltag aus den Angeln. Das kann die psychische
Gesundheit in mehrfacher Hinsicht beeinträchtigen. Soziale Isolation
oder der eingeschränkte Kontakt zu Freunden, Kollegen und Familie
wirken sich aus Sicht von 88 Prozent der befragten Therapeuten
negativ auf die Psyche ihrer Patientinnen und Patienten aus.
Familiäre Konflikte, Homeoffice und Kinderbetreuung oder
Homeschooling sind weitere Stressmomente für die Seele, sagen 85
Prozent. 80 Prozent beobachten, dass die räumliche Enge zu Hause und
fehlende Rückzugsmöglichkeiten in Zeiten von Corona-Beschränkungen
erschwerend hinzukommen. 79 Prozent berichten, dass auch finanzielle
Sorgen, Zukunftsängste und die Furcht vor dem Verlust des
Arbeitsplatzes ihre Patienten belasten.
Erneuter Lockdown verschärft die psychischen Folgen
Der erneute Lockdown wird die Probleme weiter verschärfen, warnen die
Experten. 90 Prozent der Fachärzte und Therapeuten gehen davon aus,
dass die psychischen Beschwerden in der Bevölkerung in den kommenden
Wochen noch zunehmen werden. „Problematisch wird es, wenn mehrere
Faktoren zusammenkommen. In der dunklen Jahreszeit kann mangelndes
Tageslicht auf die Stimmung schlagen. Beengte Wohnverhältnisse können
sich stärker bemerkbar machen, wenn es draußen kalt ist und weniger
Aktivitäten im Freien stattfinden. Und auch die Dauer der Krise
bringt viele an den Rand ihrer psychischen Belastbarkeit. Sorgen,
Einsamkeit und Zukunftsängste können die Seele sehr belasten und
bieten einen Nährboden für psychische Probleme jeglicher Art“, sagt
Patrizia Thamm, Psychologin bei der pronova BKK.
Therapeuten verlieren den Kontakt zu Patienten
Erschwerend hinzu kommt, dass auch die therapeutischen Hilfsangebote
nicht immer zum Zuge kommen. Nahezu alle befragten Therapeuten
berichten von Patienten, die aus Angst vor Ansteckung mit dem
Coronavirus seltener oder gar nicht mehr zur Behandlung gekommen
sind. 72 Prozent erwarten, dass dadurch psychische Probleme
zusätzlich verschleppt werden. Insbesondere ältere Menschen
entwickeln in Folge der Kontaktbeschränkungen psychische
Auffälligkeiten: Ihnen setzen Isolation und Einsamkeit besonders zu.